Dies ist eine gute Frage. Da ich im laufe der Zeit einige Antworten gesammelt habe, wollte ich diese mal hier niederschreiben. Vorweg eine Warnung: All das hier spiegelt nur meine persönlichen Erfahrungen aus Gesprächen wieder. Es kann sein, dass die z.B. für euren Fachbereich nicht gilt. Da wir das nun aus dem Weg haben, geht es auch gleich los.
Uni ist nicht Schule
Einige mögen sagen: “duh!”, aber es ist erschreckend, wie viele Leute meinen, dass ihnen die Uni etwas schuldet oder das Dozenten und Tutoren dafür verantwortlich sind, dass man hier etwas lernt. Studium ist eine komplett freiwillige Veranstaltung. Man kann jederzeit sagen: “Passt mir nicht. Ich gehe.” An der Uni wird erwartet, dass man sich ggf. einarbeitet, wenn man etwas nicht weiss; dass man Sekundärliteratur fragt (z.B. in Mathe auch mal in Bücher schaut um eine andere Erklärung zu bekommen, als der Prof an die Tafel geklatscht hat).
Etwas Lerntheorie
Es gibt einen sehr schönen Talk von Edwand Kmett in dem er über seine Erfahrungen berichtet. Kurzum: Man lernt durch stete Wiederholung. Und der beste Moment etwas zu wiederholen ist, kurz bevor man es vergisst. Das stimmt ziemlich genau mit meiner Erfahrung überein.
Auswendig lernen
Grade die oben genannte Theorie steht beim Auswendiglernen im Vordergrund. Wenn man etwas langfristig auswendig lernen will (Fremdsprachen, etc.), dann gibt es hierzu Software, die herausfindet, wann es der beste Zeitpunkt ist, dich wieder abzufragen: Anki gibt es für jede Platform kostenlos (außer iPhone - hier 25$, weil Apple so viel Geld für das einstellen im AppStore haben will). Anki ist dazu gedacht, dass man zu jedem Thema einen Stapel hat (z.b. Klausurfragen, Sprachen, …) und jeden Tag lernt. Nach einiger Zeit wird die vorhersage der Lernzeit ziemlich genau. Anfangs beantwortet man noch viele Fragen täglich, aber je häufiger man die Antworten kennt, desto weiter hinten landen sie im Stapel. Schlussendlich kommt dieselbe Frage dann nur noch 1x/Monat oder noch seltener.
Ich benutze dies insbesondere zum Auswendiglernen von Fakten, Formeln, Fachbegriffen etc. Bei Mathe bietet sich zum Beispiel an einen Stapel mit allen Definitionen zu haben; in der Biologie eine Liste der Schema und Kreisläufe etc.
Man kann auch einen Hardcore-Lernmarathon machen. Meine letzten beiden Klausuren waren nur auf “bestehen” - also ohne Note. Ich habe mir eine alte Klausur organisiert (mehr genaues unten) und dann daraus Karten erstellt. Dies hat nur wenige Stunden gedauert (2-3 verteilt auf 2 Tage). Damit habe ich dann am Tag vor der Klausur 2x gelernt (1x nach dem Aufstehen, 1x vorm schlafengehen; jeweils nach 30 Minuten hatte ich alle Fragen min. 1x korrekt beantwortet). Am Morgen der Klausur hab ich die Fragen vor dem Aufstehen noch einmal durchgemacht (wieder 25-30 min), habe mir zur Klausur fertig gemacht und bin 30 Min vor der Klausur die Fragen nochmals durchgegangen (15-30 min), aber konnte sie mittlerweile alle auswendig. Insgesamt habe ich mit Anki so für die Klausur effektiv 2h gelernt (+2-3h für das erstellen der Karten), habe die Klausur geschrieben und mit einer 3.0 bestanden (also wäre 3.0 gewesen, wenn es nicht unbenotet gewesen wäre). Kommilitonen, die sich (nach eigener Aussage) 1-2 Wochen auf die Klausur vorbereitet haben und eine Note wollten, schnitten teilweise schlechter ab (viele aber auch viel besser).
Methodik lernen
Im Gegensatz zum plumpen auswendig lernen gibt es dann auch Anforderungen, wo es darum geht Methoden und Anwendungen zu verstehen. Inbesondere ist dies in Vorbereitung auf z.B. mündliche Prüfungen der Fall. Hier steht eher die Theorie im Vordergrund.
Um solche Konzepte zu verstehen braucht es leider Zeit. Hier hilft kein 48h-Lernmarathon um das “mal eben” auf die Kette zu kriegen. Am besten bereitet man sich das gesamte Semester über vor (haha! Als ob! :p). Das “Geheimnis” hier liegt in einer Kombination der Ansätze. Zum einen muss man natürlich verstehen, worum es geht. Hier hilft es Definitionen und Fachbegriffe z.B. mit Anki zu lernen. Allerdings muss man sich zusätzlich noch nach jeder(!) Vorlesung hinsetzen und versuchen den Inhalt zu verdauen. Dies können nur 10 Minuten sein oder auch 2h. Hier kommen dann Dinge zum Tragen, wie Sekundärliteratur, Wikipedia, Google, … Man muss die Zusammenhänge einmal verstehen - da kommt man nicht drumherum. ABER: Unser Gehirn arbeitet Assoziativ. Zusammenhänge sind meist logisch oder krass widersprüchlich. Hieraus kann man dann z.B. “Stichwortketten” bauen, von denen man nur das erste auswendig lernt und von da aus sich an den Rest “erinnert”.
Kleines Beispiel aus der Welt der Mathematik:
Vektorraum -> Ist zu einer Basis definiert -> Basis ist die größtmögliche Zahl lin. unabh. Vektoren. Lin. Hülle der Basis ist der VR -> Lin. Hülle ist jede Lin.-Komb. von Vektoren
-> Hat eine Vektoraddition und skalare Multiplikation
-> Wird über einem Körper aufgespannt -> Körper sind 2 abelsche Gruppen mit Distributivgesetz -> abelsche Gruppe ist Menge mit K.A.I.N. -> ....
So kann man sich über 5-6 Stichwörter fast am gesamten Stoff der Vorlesung entlanghangeln und merkt schnell, wo es hakt. Hier kann man dann nochmal gezielt nachhaken. Auch kann man bei so einer Struktur aus jedem “a -> b -> c” Anki-Karten machen mit “a” auf der Vorderseite, “b” auf der Rückseite bzw. “b” auf der Vorderseite und “c” auf der Rückseite und so gezielt diese “Ketten” trainieren. Grade in einer mündlichen Prüfung hangeln sich Prüfer ebenfalls an diesen Ketten entlang.
Vorbereiten auf eine Klausur
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Herausfinden, um was für eine Art von Klausur es sich handelt
- Ankreuzklausur?
- Auswendiglern-Klausur?
- Praktische Klausur (z.b. fast 1:1 Übungsaufgaben, feste Schema, ..)?
- Open-Book?
- Annotation von Grafiken?
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Klausuren von der Fachschaft organisieren
- Falls keine Vorhanden: Altfachschaftler fragen, wie die Klausur bei ihnen war
- Neue Klausur mit in die FS bringen, falls möglich (z.b. schreiend rausrennen und Klausur dabei mitnehmen, bevor man offiziell registriert wurde)
Je nach Klausurtyp dann mit Anki stumpf Karten machen und auswendig lernen (z.b. Ankreuzklausur, Grafik-annotations-Klausur, ..) oder Übungsaufgaben/Altklausuren durchrechnen
Vorbereiten auf eine mündliche Prüfung
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Protokolle aus der Fachschaft organisieren
- Häufig gegen Pfand, dass man bei Abgabe eines Protokolls wieder bekommt
- Wenn keins vorhanden für die nachfolgede Generation eins ausfüllen
Wenn ihr einen Reihe von Protokollen vorliegen habt, dann schreibt alle Fragen heraus und notiert, wie häufig diese Frage gestellt wurde. So findet ihr heraus, auf welche Punkte der Prüfer besonders Wert legt (z.B. häufig sein eigenes Forschungsfeld). Diese Fragen dann restlos klären und zu Anki-Karten verarbeiten. Das reicht meistens für ein Bestehen. Wenn ihr auf eine gute Note wert legt, dann solltet ihr auch noch die Vorlesung, wie im Bereich “Methodik lernen” erwähnt, nacharbeiten. Insbesondere helfen hier die Assoziationsketten weiter den Stoff auch in der Prüfung in der richtigen Reihenfolge abzurufen. Vielleicht erkennt ihr solche Ketten schon aus den Prüfungsprotokollen und könnt euch ausmalen, wie man z.b. von da aus auf andere Themen der Vorlesung kommt (die z.b. neu sind oder überarbeitet wurden).
Unterschiede mündliche Bachelor/Master-Prüfungen
Einige Dozenten machen unterschiedliche Anforderungen, ob sie einen Bachelor oder einen Master-Studenten prüfen. Abgesehen von der anderen Prüfungszeit (15-30min bei bachelor, 25-45 bei Master) ist hier auch das Vorgehen anders. Bei einem Bachelor wird klassischerweise alles oberflächlich abgefragt und nur wenig in die Tiefe gegangen. Bei einem Master wir nur noch stichpunktartig gefragt, dafür aber bis ins Detail.
Beispiel: Ich hatte eine mündliche Masterprüfung, bei der in der Vorlesung 7 verschiedene Themen behandelt wurden. In der Prüfung wurden dann nur die Themenübersicht abgefragt und bei 2 Themen komplett in die Tiefe gegangen - inkl. Formeln, Bedeutung, Übertragung auf in der Vorlesung nicht angesprochene Aspekte etc. Die anderen 5 Themen kamen nicht dran. Bei meinen Bachelorprüfungen war das eher umgekehrt: Hier wurde sich grob an der Vorlesung entlang gehangelt und zumindest alles einmal kurz angetestet, ob die zentralen Inhalte der Vorlesung verstanden wurden.
Dies hat häufig auch damit zu tun, dass man im Bachelor eher Grundlagen hört und somit ein grobes Verständnis aller Dinge wichtig ist, während im Master auf die Aneignung von Tiefenwissen ankommt.
Prüfungsangt
Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Thema Prüfungsangst. Es ist normal, dass man vor einer Prüfung angespannt ist. Es ist nicht normal, wenn die Anspannung so ausartet, dass man sich übergibt, Krämpfe bekommt oder ähnlich starke Symptome zeigt. Ich leide selbst an solchen Problemen und habe mich schon mehrfach vor Prüfungen übergeben. Eine klassische Konfrontationstherapie funktioniert aufgrund der Seltenheit der Prüfungen nicht oder nur sehr schwer. Ich habe mich an meinen Arzt gewendet und habe nun genau für solche Situationen ein Medikament. 1-2h vor einer Prüfung nehme ich das und komme in einen komischen Zustand. Ich merke zwar noch, dass ich Angespannt bin und eigentlich Angst hätte, aber es “stört” mich nicht wirklich. Es versetzt mich nicht in Panik oder sonstwas. Es schaltet mein Gehirn nicht aus oder hat andere negative Effekte. Natürlich geht das auch mit Nachteilen einher: ein paar Tage keinen Alkohol, kein Auto fahren, etc. - Aber meist ist das ja nur 2-3x/Semester der Fall. Wenn man nicht so stark betroffen ist, dann ist davon allerdings abzuraten. Das Medikament gleicht die Panik durch Gelassenheit aus - wenn man keine Panik hat, dann wird man hierdurch so “gelassen” dass man mehrere Stunden einschläft - was in einer Prüfung vielleicht nicht ganz so gut ist ;)
Es gibt auch zahlreiche Regularien und Rechtsansprüche, die ihr bei sowas habt. Ihr habt zum Beispiel (sofern ein (Amts?-)Arzt eine Prüfungsangst bestätigt hat) Anspruch auf mehr Prüfungszeit, die Prüfung alleine abzulegen (z.b. bei einem Mitarbeiter, während andere im Hörsaal schreiben), eine mündliche durch eine schriftliche zu tauschen (oder umgekehrt), etc. Das kann man individuell mit dem Prüfer absprechen. Ich weiss nicht, wie das in anderen Fakultäten läuft - aber in der Technischen Fakultät hat fast jeder Prüfer dafür volles Verständnis (einige litten sogar früher selbst an sowas).
Die kostenlose psychologische Beratung an der Uni (aka. “Das rote Sofa” im X) bietet hier auch Hilfestellung bei und vermittelt in schwereren Fällen auch gleich noch eine Therapie/Ärzte. Hier kann man z.b. Prüfungssimulationen abhalten oder sich Hilfe holen, wenn ein Dozent sich querstellt. Die Mitarbeiter begleiten einen z.B. auch zu einer Prüfung (nach Absprache mit dem Veranstalter), falls das hilft, etc.
Es ist keine Schande so ein Problem zu haben und es gibt genug, die sich damit rumschlagen. Aber man ist hier an der Uni auch nicht alleine damit. Es gibt zahlreiche Hilfsangebote.
Schlusswort
Viel Erfolg bei euren Prüfungen. Falls euch dieser Artikel geholfen hat oder ihr noch Anregungen/Verbessenguswünsche habt, schreibt mir einfach unter sdressel@techfak.uni-bi...
, ich werde die dann einbauen.